Seit dem 5. März fasten sie schon, und sie sind immer noch dabei. Für die Kopten, die ägyptischen Christen, ist das Fasten vor Ostern mit 55 Tagen der längste und deshalb schwerste Fastenzyklus im ganzen Kirchenjahr. Erst am Samstag vor Ostern darf das Fasten, nach der heilige Kommunion, gebrochen werden. Und Ostern fällt im Jahr 2021 auf den 2. Mai. Die Kopten richten sich dabei nach dem julianischen, wir im Westen hingegen nach dem gregorianischen Kalender. Deshalb fallen die Osterfeiertage in Ägypten und Europa auch nur sehr selten zusammen. Mit dieser Ausrichtung auf Ostern, als „Fest der Auferstehung“ zeigen die Kopten, dass sie eine alte Kirche sind. Ostern ist für die Kopten – anders als für uns Europäer – wichtiger als Weihnachten.
Ägypten – Wiege des Christentums
Wie stark Ägypten, heute ein mehrheitlich islamisches Land, mit dem Christentum verwoben ist, ist bei uns kaum bekannt. Die Geschichte, dass Moses im Körbchen auf dem Nil ausgesetzt wurde und dann am pharaonischen Hofe erzogen wurde, mag noch in unseren Köpfen sein, aber wer weiß schon, dass Ägypten das erste, vollständig christianisierte Land der Welt war? Oder dass in Ägypten, ausgehend von den Einsiedlern, die sich mit ihren Schülern in die Wüste zurückzogen, sich das Mönchstum entwickelte und sich von Ägypten nach Europa ausgebreitet hat?
Nach der Überlieferung gründete der Evangelist Markus die Kirche Ägyptens. Bereits im 2. Jahrhundert n. Chr. war das Nil-Delta christianisiert und mit Alexandria als Bischofssitz breitete sich die christliche Lehre schnell im gesamten Land aus. Ägypten entwickelte sich zum Mittelpunkt geistiger Auseinandersetzung um die rechte christliche Lehre. Letztlich kam es dann 451 auf dem Konzil von Chalcedon bei der Frage, ob Christus Gott und Mensch zugleich oder nur von göttlicher Natur sei, zur Abspaltung der ägyptischen Christen von der oströmischen Kirche. Damit begannen für die Kopten eher schwierige Zeiten, von den Glaubensbrüdern aus Byzanz unterdrückt und ausgebeutet, begrüßten sie die muslimischen Eroberer 639 n.Chr. als Befreier. Heute leben noch ungefähr 15 – 20 Millionen Kopten in Ägypten.
Ostern – das pharaonische Frühlingsfest
Historiker sehen es nüchterner: Für sie lehnt sich das christliche-ägyptische Ostern klar an das pharaonische Frühlingsfest an. Seit Jahrtausenden wird am Ostermontag in Ägypten ein Fest namens „Schamm an-nessim gefeiert“, was so viel wie „rieche den Frühlingswind“ bedeutet. Diesen Tag feiern die ägyptischen Familien, indem sie draußen picknicken und Eier und gesalzenen Fisch essen. Dabei treffen altägyptische und christliche Bräuche aufeinander. In Salz eingelegte Fisch weist auf die altägyptische Mumifizierung hin, bei der es um die Erhaltung des Körpers für das ewige Leben geht. Das Ei steht bei den Kopten für Fruchtbarkeit und Wiedergeburt. Bis zu dem Tag, an dem Eier und Fisch gegessen werden dürfen, fasten die gläubigen Kopten. Alles tierische ist bis dahin verboten, doch die Fastenküche mit Bohnen, Felaffeln, Sesambrei und frischem Salat und Fladenbrot ist durchaus lecker.
Trotz des schwierigen Umfeldes als christliche Minderheit, so mancher Kopte erlebt Schikanen und Diskriminierungen, ist Ostern bei den Kopten ein lautes Fest. Die koptischen Christen sind frohen Mutes und freuen sich auf Ostern. Sie verstecken sich nicht, gerade an ihrem größten Fest freuen sie sich über Glückwünsche und Besuche von muslimischen Freunden.
Der Besuch einer Ostermesse steht jedem offen. Es braucht allerdings schon ein großes Interesse an dem Ritus und, das sei persönlich angemerkt, auch ein bisschen Leidensfähigkeit. Denn eine Messe zieht sich über mehrere Stunden hin. Die Messe, die wir Ostern 2018 besucht haben, begann um 19.00 Uhr und war erst gegen Mitternacht zu Ende. Kerzen, geistliche Gesänge, Weihrauch und symbolische Handlungen spielen bei der Messe eine große Rolle. Die Priester tragen weiße Gewänder mit Kapuzen und vollziehen den Ritus mit dem Rücken zu den Gläubigen. Die Liturgie an sich, wirkt schon sehr ehrfurchtsvoll, aber auch glaubensfroh und festlich. Bei den Gläubigen herrscht ein reges Kommen und Gehen, sich treffen und austauschen. Kinder laufen umher und spielen. Doch sind Männer und Frauen strikt voneinander getrennt. Das erinnert mich an meine katholische Jugend im Münsterland. Aus der Idee, gemeinsam mit meiner Partnerin eine Ostermesse in der Markuskirche in Assuan zu besuchen, wurde jedenfalls nix. Zwar gingen wir noch gemeinsam durch die Sicherheitskontrollen, denn Kirche und Zusammenkunft werden durch Polizei und Militär zu solchen Anlässen umfangreich gesichert, dann aber, kaum durch die Tür, ging es für mich nach links zu den Männern und für meine Partnerin nach rechts zu den Frauen. Die koptischen Frauen sind unverschleiert. Und dann saß ich da zwischen all den Männern, verstand kein Wort und das dauerte und dauerte. Ich bin vorzeitig gegangen, die Kommunion habe ich nicht mehr erlebt. Meine Liebste hingegen hat durchgehalten, hat aber auch nicht mehr viel davon berichtet.
Hörtipp: Fairuz, eine der bekanntesten und besten weiblichen Stimmen des Nahen Ostens, selbst orthodoxe Christin aus dem Libanon, singt die heilige Ostermesse auf Arabisch. Sicherlich ein Geheimtipp, aber bester Hörgenuss, die Stimme ist ein Traum!